Zurück ins Leben


Victory-Zeichen: Mario Klick (Mitte), Nicole Ehle, Kliniken-Geschäftsführer Enrico Ukrow, Comcura-Leiter Michael Mathias und Mandy Mehlitz (v.l.). Quelle: Jens Steglich  Beelitz-Heilstätten

In den Recura-Kliniken in Beelitz-Heilstätten kümmern sie sich um Menschen, die Krankheiten aus der Bahn geworfen haben. Dort wird versucht, sie ins Leben zurückzuholen – wie Mario Klick, der nicht mehr laufen und reden konnte.

Mario Klick war ein kräftiger Mann. Er konnte Karate und Aikido, arbeitete als Fleischer in einem Schlachthof und als Türsteher im Musikcafé in Brandenburg an der Havel. Was an jenem Tag passiert ist, an dem sein bisheriges Leben über den Haufen geworfen wird, weiß er nicht mehr. Notfallsanitäter finden ihn in seiner Wohnung. Der Karate-Kämpfer ist zusammengebrochen. Für die Mediziner ist relativ schnell klar, was passiert ist: Mario Klick hat einen schweren Schlaganfall erlitten, einige Regionen in seinem Gehirn waren nicht mehr richtig mit Blut versorgt.

Als er später nach der Akut-Behandlung wieder aufwacht, ist er nicht mehr der alte. Er ist ein Fall für die Pfleger und Therapeuten der Comcura GmbH, ein Tochterunternehmen der Recura-Kliniken in Beelitz-Heilstätten, die vor genau 25 Jahren ihre Arbeit aufnahmen. Die Tochter Comcura hat sich auf die Intensivpflege spezialisiert. Dort kümmern sie sich um die schwersten Fälle, die woanders schon aufgegeben wurden und als nicht mehr rehabilitierbar gelten.

Nach der Zahn-OP fing er wieder an zu sprechen

„Als Herr Klick zu uns kam, konnte er nicht mehr laufen, nicht mehr sprechen und war nicht ansprechbar“, sagt Comcura-Geschäftsführer Michael Mathias. Es beginnt eine mühsame Therapie und harte Arbeit für Mario Klick und seine Pflegerinnen. „Monatelang hat er nichts gesagt“, erzählt Nicole Ehle, die später ein kleines Wunder mit ihrem Patienten erlebt. Etwa ein Jahr nach der Einlieferung in die Pflege-Wohngemeinschaft der Comcura in Beelitz-Heilstätten hat Mario Klick eine Zahn-Operation. „Danach fing er plötzlich wieder an zu sprechen“, sagt sie. Nicole Ehle, seine Pflegerin, kann sich an den Tag noch genau erinnern und an die Worte. „Guten Morgen Mario, wie geht es dir?“, sagt sie und bekommt unerwartet eine Antwort: „Guten Morgen Frau Ehle, gut!“

„Danach war ich erst einmal sprachlos“, erzählt Frau Ehle, die heute noch von einem Gänsehautmoment spricht, den Schwestern in der Intensivpflege nicht jeden Tag erleben: „Daran werde ich mich ein Leben lang erinnern.“

Beim Essen hat er mit Wackelpudding wieder angefangen

„Danach ging es bergauf“, sagt die Pflegerin. „Ein bisschen“, sagt der Patient und fügt hinzu: „Ich gebe mir Mühe.“ Der heute 45-Jährige, der Glück hatte, noch am Leben zu sein, hat die Intensivpflege-Wohngemeinschaft in Beelitz-Heilstätten inzwischen nach fast zwei Jahren wieder verlassen und wird jetzt in einem Heim in Berlin betreut. Er sitzt noch im Rollstuhl, fürs Reden braucht er viel Kraft, das Essen funktioniert wieder deutlich besser. „Nach der flüssigen Ernährung hat er mit Wackelpudding und danach mit Milchreis angefangen“, sagt der Comcura-Geschäftsführer, der aber weiß: Für ein selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung in Brandenburg/Havel wird es nicht wieder reichen. „Was möglich wäre, ist betreutes Wohnen. Dafür muss er aber noch etwas tun. Zurzeit braucht er noch eine Rund-um-die-Uhr-Pflege.“

Die Stufe der Intensivpflege in der Comcura-Wohngemeinschaft hat Mario Klick allerdings schon überschritten, auch wenn er gern wieder dorthin zurückkehren würde. Für die traditionelle Weihnachtsfeier mit Patienten und Angehörigen haben sie ihn noch einmal nach Beelitz-Heilstätten geholt. Dort kommt jedes Jahr ein Weihnachtsengel, der individuelle Geschenke verteilt. Der harte Kerl, der jetzt im Rollstuhl sitzt, kann sich genau erinnern, was er im vergangenen Jahr vom Weihnachtsengel geschenkt bekam: Ein Buch über Harley Davidson, die legendäre Motorradmarke, und „gut riechendes Parfüm“, sagt Klick, der Weihnachten auch Geburtstag hat und dieses Jahr 45 Jahre alt geworden ist. Das Gedächtnis ist wieder da und auch die Schlagfertigkeit und der Humor, der ihm hilft, mit der Situation zu leben.

Krankheiten, die zu Schicksalschlägen geworden sind

„Ich lese oft die Vita der Patienten, die zu uns kommen. Da ist zum Beispiel zu lesen: Er ist Vater von zwei Kindern“, sagt Michael Mathias und fügt hinzu: „Wenn man das liest, kann man nur sagen: Carpe diem“ – nutze den Tag. Am Klinik-Standort in Beelitz-Heilstätten haben sie es mit Menschen zu tun, deren Krankheiten oft zu Schicksalsschlägen geworden sind. Sie kümmern sich inzwischen seit 25 Jahren um die Behandlung neurologischer Erkrankungen, um Querschnittsgelähmte und seit 20 Jahren auch um Parkinsonpatienten. Menschen, die eine Erkrankung aus der Bahn geworfen hat. „Wir versuchen, sie wieder zurück ins Leben zu holen“, sagt Mathias. Dafür wenden sie am Klinikstandort eine ganze Palette an verschiedenen Therapien an.

Da gibt es zum Beispiel den Musiktherapeuten Stefan Mainka, der sich in kleinen Gruppen selbst ans Klavier setzt, um mit dem Takt der Musik Patienten in Bewegung zu bringen. Für Parkinson-Patienten ist 2018 eine App entwickelt worden, die das Mitschwingen der Arme beim Gehen in Musik übersetzt und damit den gesamten Bewegungsablauf stimuliert. „Durch die Übersetzung der Bewegung in Musik erleben Parkinson-Patienten wieder eine bessere Kontrolle der Motorik. Das musikalische Feedback durch die Cura-Swing-App ermöglicht intuitives und selbstwirksames Training“, erklärt Professor Georg Ebersbach. Er betreut auch einen kleinen Jungen, der mit fünf Jahren die Diagnose „Parkinson“ bekommen hat. Dem inzwischen Zehnjährigen war ein Hirnschrittmacher eingesetzt worden, um zusammen mit Medikamenten ein unkontrolliertes Zittern und Zappeln in den Griff zu bekommen.

Mario Klick hat ein Ziel: Er will zurück in seine Heimatstadt

Im Recura-Verbund in Beelitz-Heilstätten wird zum Beispiel auch Bogenschießen als Therapie angeboten und es gibt einen Therapie-Garten. Und Patienten, die sich schon weitgehend zurück ins Leben gekämpft haben, fahren einem auch schon mal auf einem Segway auf dem Klinik-Gelände über den Weg.

Mario Klick, der jetzt in Berlin in einem Pflegeheim betreut wird, hat ein ganz eigenes Ziel: Er will zurück in seine Heimatstadt Brandenburg. „Das wäre cool“, sagt er: „In der Werder-Straße in Brandenburg wohnt eine gute Bekannte. Die mag mich aufnehmen.“

Das Haus ist barrierefrei zugänglich, er könnte also mit dem Rollstuhl dort alles erreichen. Ob er sein Ziel erreicht, ist nicht sicher. „Jetzt braucht er noch zu viel Hilfe“, sagt Nicole Ehle und drückt ihm die Daumen.

25 Jahre Recura-Kliniken

Die Recura-Kliniken wurden 1993 gegründet und eröffneten 1996 eine Neurologische Rehabilitations-Klinik in Beelitz-Heilstätten. Sie sind inzwischen mit insgesamt 13 Tochterunternehmen in Brandenburg, Sachsen und Berlin aktiv, sagt Mandy Mehlitz, Referentin für Strategische Innovation und Kommunikation.

Am Standort in Beelitz-Heilstätten sind für den Klinik-Verbund knapp 700 Mitarbeiter tätig. Die Kliniken sind damit nach der Bundeswehr der zweitgrößte Arbeitgeber in Beelitz.

Spezialisiert sind die Kliniken auf die Behandlung neurologischer Erkrankungen und die Rehabilitation.

Text und Bild: Jens Steglich/MAZ

 

Zum originalen Beitrag: http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Beelitz/Recura-Kliniken-in-Beelitz-Heilstaetten-kuemmern-sich-um-Menschen-die-Krankheiten-aus-der-Bahn-geworfen-haben